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Entwicklungsstillstand in Brasilien? Herausforderungen an die Regierung Lula

Dieser Extractivism Policy Brief zeigt:

  • Brasilien leidet unter entwicklungsstillstand. Es schwankt zwischen Extraktivismus und Industrialisierung, gleitet seit geraumer Zeit aber wieder in Extraktivismus ab.
  • Die neue Regierung Lula priorisiert Umweltpolitik. Dies ist eine wichtige Neuerung im Vergleich zu vorherigen Regierungen.
  • Lulas Regierung ist auf eine breite Koalition angewiesen um Veränderungen durchsetzen zu Können. Sie wird daher pragmatische Lösungen abstreben.
  • Lulas Politik zielt darauf ab, die Lebensbedingungen breiter Bevölkerungsschichten zu verbessern. Internationale Akteure sollten daher den auch Brasiliens Zugang zu Technologie ermöglichen – vor allem mit Blick auf Energiewende und sozio-ökologische Transformation

 

Abstract:

Im Oktober 2023 wurde in Brasilien der Luiz Inácio Lula da Silva erneut zum Präsidenten gewählt. Während des Wahlkampfes versprach Lula, Brasilien wieder zu dem zu machen, was es in den 2000er Jahren war: eine entwicklungsorientierte, linke Wirtschaftsmacht sowie ein strakter internationaler Player, der für Multilateralismus eintrat. Außerdem versprach Lula eine Alternative zum Extraktivismus, indem er Wachstum schaffen und die Lebensbedingungen der Menschen durch eine sozioökologische Transformation verbessern würde. Die Herausforderungen sind jedoch groß: gibt keinen Rohstoffboom und die Innenpolitik ist sehr viel konfliktiver.

In diesem Policy Brief wird argumentiert, dass in Brasilien Entwicklungsstillstand eingetreten ist. Brasilien schwankt zwischen Extraktivismus und Industrialisierung, gleitet aber seit geraumer Zeit wieder in Extraktivismus ab. In seiner früheren Regierungszeit verfolgte Lula aufgrund des Rohstoffbooms der 2000er Jahre ein neoextraktivistisches Entwicklungsmodell, bei dem Erlöse aus Rohstoffexporten zur Finanzierung von Sozialpolitik eingesetzt wurden. Als die Regierung Bolsonaro an die Macht kam, war Brasilien einer der größten Lebensmittelexporteure der Welt. Bolsonaro hat die Grenze des Extraktivismus noch weiter verschoben. Er koppelte jedoch Sozialpolitik von Exporterlösen ab und begünstigte vor allem die Agrarindustrie und Finanzeliten. Dieses Policy Brief zeigt, dass Brasilien heute am Scheideweg steht. Brasilien unter Lula such nach Wegen, sozioökologische Transformationen und Industrialisierungsbemühungen in Entwicklungsfortschritte zu übersetzen. Nach vier Jahren neoliberaler Poliitk unter Bolsonaro verspricht Lula, Armut zu verringern, Ernährungsunsicherheit zu beseitigen, Infrastruktur aufzubauen, Reindustrialisierung voranzutreiben und die Rolle Brasiliens in der internationalen Politik wiederherzustellen. Gleichzeitig will er gegen illegalen Rohstoffabbau vorgehen, Klimawandel bekämpfen und indigene und kleinbäuerliche Gruppen unterstützen. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn auch innenpolitische Spannungen überwunden werden.

Dieser Policy Brief befasst sich daher mit den Herausforderungen, die Brasilien in Bezug auf Entwicklung und Energiewende zu bewältigen hat. Dazu werden die sich verändernden Entwicklungspfade des Landes dargestellt, das Verhältnis zum Neoextraktivismus erläutert, die Entstehung des Bolsonarismus diskutiert und Lulas Versprechen und Einschränkungen dargestellt. Einerseits wird argumentiert, dass die Förderung des Umweltschutzes die wichtigste – und positivste – Neuerung in Lulas Position im Vergleich zu seinen vorherigen Regierungen ist. Andererseits warnt die Analyse zur Vorsicht, denn die breite Koalition, die erforderlich wäre, um Bolsonaro zu besiegen, bedeutet auch, dass die neue Regierung Lula sehr pragmatisch sein wird, ohne Raum für notwendige Reformen oder radikalere Transformationen zu schaffen.

 

http://dx.doi.org/doi:10.17170/kobra-202308148614

 

Download des Extractivism.de Policy Brief 04/2022 hier (DEUTSCH)

Download des Extractivism.de Policy Brief 04/2022 hier (ENGLISCH)

Download des Extractivism.de Policy Brief 04/2022 hier (SPANISCH)

 

Autorin: Luíza Cerioli, Universität Kassel